DER VERSCHWUNDENE SCHNULLER
Meine Mama hatte mich an einem Nachmittag mit meinem Wagen in die Schlafstube meiner Großeltern geschoben, damit ich etwas schliefe. Damit sich der Schlaf schneller einstellt, hatte sie mir einen Schnuller in den Mund gesteckt. Diese Methode war von ihr erprobt und hatte bisher immer funktioniert.
Um so erstaunter war sie, dass ich nicht schlief, sondern auf einmal lautstark zu brüllen anfing.
Als sie nachsehen kam, stellte sie fest, dass mir der Schnuller aus dem Munde gerutscht war. Sie wollte ihn mir wieder hineinstecken, um mich zu beruhigen, doch sie konnte ihn nirgendwo im Kinderwagen entdecken.
Da mein Geschrei kein Ende nahm, kam auch meine Großmutter, um nachzusehen, was los sei.
„Mutter, ich glaube, Werner hat seinen Schnuller verschluckt. Ich kann ihn nirgendwo finden. Das tut ihm sicherlich weh und deshalb schreit er so. Komm hilf mir mal!“, wandte sich meine Mama, ängstlich Hilfe suchend, an ihre Mutter.
Meine Großmutter war eine resolute Frau und nicht so schnell aus der Fassung zu bringen.
„Nun mal sachte. So einen Schnuller verschluckt man nicht so schnell. Wollen wir doch noch einmal alles in Ruhe nachsehen“, versuchte sie meine Mama zu beruhigen, „vielleicht ist er auch nur aus dem Wagen gefallen und unter das Bett oder unter den Schrank gerollt“. Dabei schob sie den Kinderwagen etwas beiseite, um besser nachschauen zu können.
Und was entdeckte sie???!!!
Hinter der Kommode in der Stubenecke saß, um nicht entdeckt zu werden, meine dreijährige Kusine, hatte meinen Schnuller im Mund und war intensiv und genießerisch am Nuppeln. Sie hatte mir den Schnuller weggenommen, um selbst wieder einmal dieses Vergnügen zu haben, das sie sich, wie ihre Muddel sagte, eigentlich schon seit einem Jahr abgewöhnt hatte. Dass ich meinen Protest aus Leibeskräften hinaus schrie, hatte sie ungerührt in Kauf genommen.
Hieran wird deutlich: Gelegenheit weckt alte Lüste!
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