DAS FLIEGENDE BRETT

Wenn ich mich recht erinnere, hatten in der Klosterschule ab 5. Klasse die Mädchen Handarbeitsstunde und wir Jungen Werkunterricht. Unser Sportlehrer, Herr Schattkowsky, war auch Lehrer fürs Werken. Der Werkraum befand sich im obersten Stockwerk. Aus den Fenstern, die nach Osten gingen, hatte man eine herrliche Aussicht mit Blick auf das Amtsgericht, die Klosterkirche und die große Neißebrücke. Der Werkraum war zweckmäßig eingerichtet. In Vitrinen waren die notwendigen Werkzeuge untergebracht. Jeder Schüler hatte an den Werkbänken seinen Arbeitsplatz mit einem kleinen Schraubstock. Der Unterricht war dreigeteilt: Werkzeugkunde, Werkstoffkunde und praktisches Werken. Mir machte das praktische Werken immer am meisten Spaß. Die erste Aufgabe, die wir im Werkunterricht praktisch zu lösen hatten, war der Bau eines „Fliegenden Brettes“. Jeder von uns erhielt von Herrn Schattkowsky ein Ende Draht, etwas Klebestreifen und ein rechteckiges Stück Wellpappe. Wir begannen unter Anleitung und mit Hilfe unseres Lehrers damit, unser Drahtende zu richten, mit anderen Worten: jeder von uns war bemüht, seinen Draht solange zu biegen, bis er ganz gerade war. Nur, wer es selbst schon einmal versucht hat, weiß, wie viel Geduld und welches Fingerspitzengefühl dazu erforderlich sind.

Es dauerte lange, bis unser Lehrer mit dem Ergebnis unserer Bemühungen zufrieden war. Immer wieder schickte er uns an unseren Arbeitsplatz zurück, wenn sein kritisches Auge auch nur den kleinsten Bogen an unseren Drähten entdeckte.
Es war rein zum Verzweifeln. Wenn man glaubte, jetzt ist der kleine, noch vorhandene Bogen endlich geradegerichtet, war an einer anderen Stelle ein vielleicht noch größerer wieder neu entstanden. Die reinste Sisyphusarbeit !!!
Endlich! Nach langem Mühen hatten unsere Drähte dem kritischen Blick von Herrn Schattkowsky standgehalten. Jetzt bestand die Aufgabe darin, den gerichteten Draht mit Hilfe des Klebestreifens an der vorderen Kante des Wellpappenstückes zu befestigen. Das gelang uns recht problemlos.
Nun war es soweit. Das Ergebnis unseres Mühens konnte erprobt werden. Unser „Fliegendes Brett“ unter dem Arm, sausten wir auf den Schulhof. Es war lustig anzusehen, wie die, von uns zu Flugobjekten gestalteten Wellpappestücke, über unseren Schulhof segelten. Herr Schattkowsky konnte sich ein wohlwollendes Schmunzeln nicht verkneifen. Auch wir waren glücklich. Als uns unser Lehrer dann noch sagte, wir könnten unser „Fliegendes Brett“ mit nach Hause nehmen, war der Jubel groß.
Das Unterrichtsfach Werkunterricht bereitete uns immer viel Freude und Herr Schattkowsky war einer unserer Lieblingslehrer.
vorherige SeiteSeite 50 von 164nächste Seite