GRÜNE HERINGE

Einkaufen gehen, das machte mir Spaß. Deshalb war es nichts Außergewöhnliches, dass mir meine Mutter fünfzig Pfennig in die Hand drückte und mich zu Fisch-Krause am Dreieck schickte, um fünf grüne Heringe, zehn Pfennig das Stück, zu holen.

Da die Tochter in ihrer weißen Gummischürze gerade eine Kundin bediente, hatte ich etwas Zeit, mich im Laden umzusehen. Dabei entdeckte ich, dass es grüne Heringe zu zehn und zu fünf Pfennig das Stück gab. Da kam mir eine tollkühne Idee, die ich bedenkenlos sofort in die Tat umsetzte.
Als mich das bedienende Fräulein Tochter mit ihren Glubschaugen anschaute und mich fragte: „Na Kleiner, was soll es denn sein?“, kam wie aus der Pistole geschossen meine unverfrorene Forderung: „Ich möchte fünf grüne Heringe, drei Stück zu zehn und zwei Stück zu fünf Pfennig“.
Mit diesem kleinen Betrug, so dachte ich, konnte ich meiner Mutter die verlangten fünf Heringe bringen und hätte doch zehn Pfennig (das waren zur damaligen Zeit zwei Streuselschnecken) in die eigene Tasche gewirtschaftet.
Zufrieden mit mir, im Netz die in Zeitungspapier gewickelten Heringe schwenkend und in der Hosentasche mit den zwei ergaunerten Fünfpfennigstücken klimpernd, ging ich frohen Mutes nach Hause.
Als meine Mutter die Heringe auspackte, schaute sie zuerst ungläubig auf die zwei etwas klein geratenen Fischchen und dann fragend auf mich.
„Werner, das sind doch nicht alles Heringe für einen Groschen?“
Ich fühlte mich ertappt. Mir rutschte das Herz in die Hose. Ich wurde vor Verlegenheit ganz rot im Gesicht und versuchte mich zu retten, indem ich mit dem Brustton der Überzeugung log: „Doch Mama, das sind alles Heringe für zehn Pfennig!“
Ehe ich es mir versah, hatte mir meine Mutter eine saftige Ohrfeige verpasst, so das ich glaubte, die Engel im Himmel singen zu hören. Verdattert stand ich armer Sünder vor meiner Mutter. Die Wange brannte von dem Schlag, aber noch viel mehr brannte die Scham in mir.
Auch meine Mutter schaute nach dieser Affekthandlung etwas erschrocken drein, denn es war das erste Mal, dass sie mich geschlagen hatte.
Aber ich habe seitdem nie wieder versucht, meine Eltern zu betrügen!
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