KNOCK OUT

Max Schmeling hatte in New York den amerikanischen Schwergewichtsboxer Joe Louis in der 12. Runde k.o. geschlagen. Diese Sensation war in aller Munde. Das war wohl auch der Grund, warum ich Knirps auf einmal Boxer sein wollte.

Wir waren in Sommerfeld bei meinem Großvater zu Besuch. Auf dem alten roten Plüschsofa, dessen Seitenlehnen noch mit Mahagoniholzkanten verziert waren, hatte es sich mein Onkel Richard bequem gemacht.
„Onkel Richard“, tänzelte ich auf ihn zu, meine beiden Fäustchen vor der Brust geballt, „ich kann boxen! Soll ich es dir mal zeigen?“
Belustigt über meinen Eifer ging mein Onkel in Deckung, schaute, als ob er Angst hätte, über seine erhobenen Fäuste und flehte mich an, ihn nicht k.o. zu schlagen.
„Los, Box mal!“, forderte ich ihn auf, um die Sache in Gang zu bringen.
Im Scherz holte er zu einem Schwinger aus. Ich wollte abducken, um dem Hieb zu entgehen. So, dachte ich mir, muss ein Boxer reagieren, wenn er nicht getroffen werden will.
Da ich mich ganz darauf konzentriert hatte, der Faust meines Onkels auszuweichen, war mir entgangen, dass sich die scharfe Holzkante des alten Sofas in bedrohlicher Nähe meines Kopfes befand. Mit voller Wucht schlug ich mit der Stirn dagegen.
Benommen taumelte ich zurück. Aus einer Platzwunde rannte mir das Blut über Gesicht, Hals und Hemd und tropfte auf die ausgetretenen Holzdielen. Zuerst schaute ich nur verdutzt drein, als ich aber das Blut sah, wurde mir schwummerig und ich begann gottjämmerlich an zu heulen.
Meine Mama, vor Schreck ganz blass, fuhr meinen Onkel grob an: „Richard, was hast du denn nun wieder mit dem Jungen angestellt!“, wobei sie behutsam das Blut aus meinem Gesicht wischte.
Nachdem sie die Wunde, die wegen des vielen Blutes schlimmer aussah, als sie in Wirklichkeit war, ausgewaschen und verpflastert hatte, nahm sie mich tröstend in den Arm.
„Mama“, sagte ich wehleidig, wobei mir noch die Tränen in den Augen standen, „Onkel Richard hat gar keine Schuld. Ich wollte ihm zeigen, wie man boxt. Dabei habe ich mir aus Versehen den Kopf an der Holzlehne vom Sofa gestoßen“.
Mein erster Boxversuch hat für mich recht beschämend geendet. Nicht die Faust eines Gegners, sondern die Lehne eines Sofas hatte mich nieder-gestreckt. Technischer k.o. in der ersten Runde, hätte das fachgerechte Urteil gelautet.
Als bleibende Erinnerung an diese unrühmliche Begebenheit habe ich eine kleine, aber unübersehbare Narbe auf der linken Stirnseite zurückbehalten.
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