HIRSEKLÖSSCHEN*

Wenn die Gubener am Wochenende bei schönem Wetter an den Deulowitzer See zum Baden fuhren, dann war das oft ein Tagesausflug. Schon früh beizeiten ging es über die Kaltenborner Berge zum See, um an der Ostseite ein gutes Plätzchen zu erwischen. Natürlich war man auch mit der notwendigen Verpflegung ausgerüstet. Einige begnügten sich mit einem Packen Schnieten** und einer Flasche kaltem Malzkaffee, die meisten jedoch hatten im alten Einweckglas eine ordentlichen Portion Kartoffelsalat und die erforderliche Anzahl Bouletten mit.
Deshalb war es doch etwas ungewöhnlich, als Irmchen, Wolfgang und seine Frau hatten ihre Decke neben der meinen am Seeufer ausgebreitet, zur Mittagszeit anstelle des obligatorischen Kartoffelsalates einen, in Zeitungspapier und einer Decke eingewickelten, Kochtopf hervorholten.
„Ich habe Hirseklößchen gemacht. Damit sie nicht kalt werden, habe ich sie ordentlich eingewickelt!“, erklärte mir Irmchen stolz die etwas ungewöhnliche Situation.
„Möchtest du mal probieren?“, lud mich Wolfgang freundlich ein, an ihrer Mittagsmalzeit teilzunehmen.
Ich sagte nicht nein, denn der herrliche Duft der Klößchen ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Es war das erste Mal, das ich dieses unnachahmliche kulinarische Niederlausitzer Gericht probieren durfte, und ich möchte auch heute noch behaupten, dass ich selten etwas köstlicheres auf der Zunge gehabt habe.
Immer wieder schwärmten wir von diesem wundervollen Essen am Deulowitzer See in den ersten Nachkriegsjahren, wenn ich mich mit Irmchen und Wolfgang traf, und nicht selten äußerte mein Freund dabei den Wunsch: „Wir sollten wieder einmal gemeinsam Hirseklößchen essen!!!“
Doch es hat 50 Jahre gedauert, bis sich uns die Gelegenheit bot, diesen Wunsch doch noch Wirklichkeit werden zu lassen. Als ich kürzlich wieder einmal meine Freunde besuchte, überraschten sie mich mit dieser leckeren Speise. Da meine Frau, die ja diese Köstlichkeit noch nicht kannte, leider nicht dabei sein konnte, gaben sie mir das Rezept mit, damit ich es zu Hause selbst einmal nachkochen könnte.
Vielleicht hat der Leser dieser Geschichte Lust, sich diese Gubener Köstlichkeit auch einmal zuzubereiten. Deshalb möchte ich das Rezept hier weitergeben.
Hirseklößchen
Rezept nach Irmchen und Wolfgang Daul***


Zutaten:
Ein großer Kopf Weißkohl, geschälte Hirse, Schweinebauch, Rippchen, Pökelfleisch, durchwachsener Speck, einige Speckschwarten, eine Zwiebel, Kümmel, Salz und Pfeffer.

Zubereitung:
Der Weißkohlkopf wird gebrüht und die äußeren großen Blätter vorsichtig abgelöst. Der Rest wird kleingeschnitten .Die geschälte Hirse wird gewaschen und ebenfalls gebrüht. Man lässt sie in einem Sieb ablaufen. Danach vermengt man die Hirse mit dem zerkleinerten Weißkohl, dem in kleine Würfel geschnittenen Schweinebauch und dem leicht angebratenen Speck und würzt die Masse mit der gehackten Zwiebel, Kümmel, Salz und Pfeffer. Je 2 – 3 Esslöffel dieser Masse werden in die gelösten Krautblätter gewickelt. (Ähnlich, wie Krautrouladen, aber nicht mit einem Faden zusammengebunden, sondern nur zusammen gelegt.)
Der Boden eines großen Topfes wird mit Weißkohlblättern ausgelegt. Darauf werden Schweinebauch, Rippchen oder Speckschwarten verteilt, auf die man die Hirseklößchen schichtet. Zwischen die Schichten kommt immer wieder eine Lage von dem Fleisch oder den Rippchen.
Unter Zugabe von etwas Wasser lässt man das Ganze 1 bis 2 Stunden schmoren.
Dieser „Leckerbissen“ wird ohne Zugabe von Kartoffeln serviert.

Guten Appetit!

*Die alten Gubener sagten dazu in ihrer Mundart liebevoll „Hierschekleeßchene“.
** So wurden in Guben belegte Butterbrote bezeichnet.
*** Siehe auch: Gerd Müller, Gubener „Nationalgerichte“?, Gubener Heimatkalender 1980, Seite 78.
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