JUNGFERNFAHRT MIT HINDERNISSEN

Trotz der Anstrengungen des Vortages und der kurzen Nacht stand Manfred pünktlich um 7,00 Uhr vor der Tür, um mit mir nach Atterwasch zu wandern. Heute wollten wir mit dem neuen Faltboot auf dem Deulowitzer See die Jungfernfahrt starten.
Die Sonne am strahlend blauen Morgenhimmel versprach einen wunderschönen Sonntag. Die Vorfreude beflügelte unsere Schritte und in knapp einer und einer halben Stunden hatten wir die 7 Kilometer bewältigt. Etwas mehr Anstrengungen erforderte es, das Boot auf dem Bootswagen die knapp zwei Kilometer lange Strecke bis zum Deulowitzer See zu karren. Die Schotterstraße führte überwiegend durch Felder ohne jeden Schatten. Die Sonne brannte um 10,00 Uhr schon recht heftig vom wolkenlosen Himmel. Obwohl wir uns beim schieben des Bootes abwechselten, waren wir froh, endlich in den Schatten der Bäume des Waldes zu gelangen, der den See umsäumte. Obwohl wir erhitzt und außer Atem waren, gönnten wir uns keine Ruhepause, sondern brachten das Boot ohne Aufschub an einer freien Uferstelle an der Südseite des Sees, gleich hinter dem eingezäunten Objekt des Seehofes, zu Wasser. Schnell hatten wir unsere Sachen ausgezogen und gemeinsam mit dem zusammenklappbaren Bootswagen in der Bugspitze verstaut.

Das Bootshaus am Deulowitzr See

Mich überkam ein un-beschreibliches Glücks-gefühl, als wir vom Ufer abstießen und das erste Mal mit meinem Boot auf den See hinaus paddelten. Als erstes un-ternahmen wir eine Er-kundungsfahrt um den See. Am Bootshaus vor-bei, durch die Schilf-gürtel am Nord- und Westufer, paddelten wir zum östlichen Bade-strand. Wir erregten bei den Badegästen schon einiges Aufsehen mit unserem Paddelboot, denn von ein paar Angelkähnen abgesehen, war es das erste Faltboot, das nach dem Krieg auf dem See schwamm.
Von den Anstrengungen des Vormittags etwas mitgenommen, suchten wir uns im Schilf ein stilles Plätzchen, nahmen ein erfrischendes Bad und ruhten uns ein wenig aus.
Am frühen Nachmittag, viele Badegäste waren inzwischen angekommen und bevölkerten den Sandstrand, paddelten wir wieder auf den See hinaus, um uns gebührend bewundern zu lassen. Lässig ließen wir die Beine über der Bordwand im Wasser baumeln und trieben das Boot mit leichten Paddelschlägen langsam am Ufer entlang.
Es war ein herrliches Gefühl, die bewundernden, aber zum Teil auch neidischen Blicke der Badenden auf sich gerichtet zu sehen. Voller Besitzerstolz weidete ich mich an der Aufmerksamkeit, die uns in dem Boot zuteil wurde.
Von unseren Freunden wurden wir mit lautem Hallo begrüßt.

Mit meinem Faltboot auf dem Deulowitzer See
Neugierig umringten sie uns im flachen Wasser, begutachteten sachkundig das Boot und nahmen wohlwollend schmunzelnd dessen Namen „Lumpi“, als mein Markenzeichen, zur Kenntnis. Natürlich äußerten sie auch den Wunsch, einmal mitfahren zu dürfen. Da es unsere Jungfernfahrt war, vertrösteten wir sie auf das nächste Mal, was sie akzeptierten.
Ein schöner und erlebnisreicher Sonntag neigte sich dem Ende entgegen. Es wurde für uns Zeit, die erste Bootsfahrt zu beenden und uns auf den Rückweg zu begeben. Mit kräftigen Paddelschlägen strebten wir wieder dem Südufer zu, um das Boot an Land zu bringen und nach Atterwasch zu bugsieren.
Plötzlich hörten wir laute Rufe über den See schallen. Als wir uns nach dem Rufer umschauten, erkannten wir unseren Freund Ernst. Er war erst am Nachmittag zum Baden gekommen, aber natürlich auch daran interessiert, unser Boot zu begutachten. Deshalb entschieden wir uns, noch mal zurück zu paddeln.
Ich kommandierte von hinten: „Hart Backbord! Volle Kraft voraus!“ Daraufhin legten wir uns beide nach rechts in die Paddel, um das Boot auf kürzestem Radius auf Gegenkurs zu bringen. Dadurch verlagerte sich das Schwergewicht so, dass das Boot zuviel Schlagseite bekam und kenterte. Wir waren darüber so überrascht, dass wir im Moment nicht wussten, was wir tun sollten. Plötzlich befanden wir beide uns im Wasser, und mein Boot, weil für eine Eskimorolle nicht geeignet, trieb kieloben zwischen uns. Ich konnte zuerst gar nicht fassen, was passiert war. Doch als es mir bewusst wurde, hätte ich vor Wut und Betrübnis heulen können. Innerlich haderte ich mit dem Schicksal. Bestürzt schoss es mir durch den Sinn: Gerade bekommen und schon zerronnen! Wie habe ich das verdient!!??
Doch Trübsal blasen hatte keinen Zweck. Es galt, schnell zu handeln! Mit großer Anstrengung drehten wir gemeinsam das Boot wieder um. Da es aber voller Wasser war, sank es durch sein Eigengewicht immer tiefer. Jeder an einer Seite schwimmend hielten wir das Boot, so gut es ging, an der Wasseroberfläche und rackerten uns ab, um auf kürzestem Weg das rettende Ufer zu erreichen. Dabei verlieh besonders mir die Angst, dass mein Boot gleich bei der ersten Fahrt absaufen würde, ungeahnte Kräfte. Da wir uns an der Ostseite des Sees befanden, suchten wir dort auch Rettung. Als wir endlich Grund unter den Füßen spürten, war auch Ernst zur Stelle und half uns, das Boot an Land zu bringen. Gemeinsam drehten wir das Paddelboot um, damit das Wasser auslaufen konnte. Dann besahen wir uns den Schaden. Zum Glück hatten wir unsere Sachen im Bug gut verstaut gehabt, so dass beim Kentern, außer einer Socke von mir, nichts im See versunken war.
Wir kramten die nassen Sachen aus dem Bug des Bootes, wrangen sie aus, leerten die Taschen und hingen die Kleidungsstücke zum trocknen über einen Busch, der am Ufer stand. Auch der Inhalt unserer Brieftaschen sah trostlos aus. Ausweise und Geld waren völlig durchgeweicht. Wir breiteten die feuchten Lappen am Strand aus, damit sie auch etwas übertrockneten, mussten sie aber mit Steinen beschweren, damit sie nicht weggeweht wurden. Meine, damals durchgeweichte, Gewerkschaftliche Mitgliedskarte besitze ich heute noch. (Siehe Abbildung) Sie hatte durch das Wasser arg gelitten. Auch die Beitragsmarken hatten sich gelöst. Ich musste sie alle danach einzeln wieder einkleben.
Unser Freund Ernst half uns bei der Behebung des Schadens, so gut er konnte.
„Ach, das tut mir aber leid, was euch da passiert ist!“, gab er seinem Bedauern über unser Missgeschick Ausdruck. Er konnte es aber auch nicht lassen, ein wenig über unsere Ungeschicklichkeit zu frotzeln. „Ihr hättet zur Taufe des Bootes doch nicht gleich selbst beide mit ins Wasser springen müssen!!“, neckte er uns freundschaftlich, wobei er schadenfroh grinste.
Schließlich mussten wir selbst über unsere Blödheit lachen. Was blieb uns auch weiter übrig, als gute Mine zum bösen Spiel zu machen.
Obwohl die Sachen noch feucht waren, machten wir das Boot wieder klar, und paddelten, jetzt natürlich unter Beachtung der notwendigen Vorsicht, zum Uferabschnitt am Seeende, von wo aus wir das Paddelboot wieder nach Atterwasch zurück transportierten.
Als wir am späten Abend nach Guben zurück kamen, waren unsere Sachen wieder trocken und unser Malheur fast vergessen.
Aber aus Erfahrung klug geworden, haben wir bei künftigen Paddelboot-Fahrten unser Gewicht nie wieder so abrupt verlagert.
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