DIE SCHEIDUNG
Vielfältige Ursachen hatten die Ehe meiner Eltern zerrüttet. Deshalb war meine Mutter auch fest entschlossen gewesen, nach dem Krieg nicht mehr nach Hause zurück zu kehren, sondern bei ihrer Schwester Hedwig in Forst, wo auch ihr Vater nach dem Rauswurf aus Sommerfeld sein Unterkommen gefunden hatte, zu bleiben.
Meiner Bitte nach meiner Heimkehr aus der Gefangenschaft war es zu danken, dass sie sich erweichen ließ und wieder nach Guben kam.
Doch der Riss, der durch die Ehe ging, ließ sich nicht mehr schließen. Im Gegenteil!
Die Liebe war schon lange gestorben, und die Gewöhnung nach 20 Ehejahren nicht der richtige Kitt für ein künftiges harmonisches Zusammenleben. So konnte der Riss zwischen meinen Eltern nicht geschlossen werden, wie ich es mir vorgestellt und mein Vater es sich vielleicht gewünscht hatte. Vielmehr verbreitete er sich weiter bis zum endgültigen Bruch. Es hatte sich eine Art Hassliebe entwickelt, wo sich Abneigung und Besitzansprüche skurril verwoben. Das machte auch der Tatbestand deutlich.
In der Scheidungsurkunde heißt es dazu:
„...Der letzte eheliche Verkehr zwischen den Parteien hat Ende März oder Anfang April 1946, nämlich etwa drei Wochen vor Ostern, stattgefunden.
Der Kläger begehrt die Scheidung, indem er zur Unterstützung seiner Klage einen verziehenen Ehebruch der Beklagten mit einem Franzosen vorträgt. Außerdem habe ihn die Beklagte in letzter Zeit fortgesetzt durch Verbreitung der Behauptung, er unterhalte ehewidrige Beziehungen mit der Zeugin Sauermann, bloßgestellt. Sie habe ihn sogar in Gegenwart dieser Zeugin geschlagen. Außerdem habe die Beklagte erklärt, dass sie ihren Franzosen immer noch liebe. Er hat beantragt, die Ehe der Parteien zu scheiden und die Beklagte als alleinschuldig an der Scheidung zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt, unter Abweisung der Klage auf ihre Widerklage die Ehe der Parteien zu scheiden.
Sie bestreitet, behauptet zu haben, dass sie ihren Franzosen, mit dem sie einmal den verziehenen Ehebruch begangen habe, noch immer liebe. Dagegen behauptet sie ehewidrige, wenn nicht sogar ehebrecherische Beziehungen des Klägers zu der Zeugin Sauermann...
Das Verhalten beider Parteien stellt eine schwere Eheverfehlung dar. Dadurch haben beide die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet, dass die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann....“
- Die Kopie der Scheidungsurkunde meiner Eltern
Am 20. November 1947 wurde die Scheidungsklage meines Vaters und die Gegenklage meiner Mutter vor dem Amtsgericht Guben verhandelt und die Ehe meiner Eltern, die nur knapp zwanzig Jahre gehalten hat, mit Wirkung vom 10. Januar 1948 rechtskräftig geschieden.
Ich blieb nach der Scheidung bei meiner Mutter. Diese Entscheidung hat meinen weiteren Lebensweg nicht unbedeutend beeinflusst.
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