BRENNHOLZ

Heute, im Zeitalter der Öl-, Gas- und Fernheizungen ist die Nachfrage nach Brennholz stark zurückgegangen, es sei denn, ein versnobter Neureicher hat sich zum Angeben einen mehr oder weniger prunkvollen Kamin angeschafft, der hin und wieder auch mal befeuert werden muss.
Deshalb gibt es kaum noch jemanden, der in den Wald fährt, um sich Brennholz zu besorgen. In den Wäldern liegt heute, von niemandem beachtet, Brennholz in Hülle und Fülle und verrottet.
In meiner Jugendzeit war das anders. Überall wurde zum Kochen und Heizen auch Holz benötigt und die Wälder waren wie leergefegt.
In den Bauernwäldern auf den Dörfern kam nichts um. Jedes Stück Holz wurde verwertet. Selbst die Stubben wurden gerodet. Sie waren recht kienig (stark harzhaltig) und darum ein ausgezeichnetes Brennmaterial. Ich bin oft mit meinem Großvater in den Wald gefahren, um auch Reisig zu sammeln und zu bündeln, weil es getrocknet zum heizen des Backofens verwendet wurde. Großmutter nahm mich oft mit, um Kusken (Kienäpfel) und Sprockeln (Borken- und kleine Holzstücke) zu sammeln, die sie im Küchenherd zum Kochen verfeuerte. Selbst die herabgefallenen Kiefernnadeln wurden zusammen geharkt und im Kuhstall als Streu verwendet.
In den ersten Nachkriegsjahren war für uns Brennholz genau so lebensnotwendig, wie Kartoffeln und andere Nahrungsgüter. Vor allem, als es noch kein Gas gab, war Feuerung nötig, denn da musste ja auf dem Herd gekocht werden
Deshalb war es nicht ungewöhnlich, dass meine Mutter oft sorgenvoll ankam und sagte: „Junge, unser Brennholz geht zur Neige!“, und mich bat, „du wirst wieder mal in den Wald fahren müssen und neues holen.“
Ich ärgerte mich jedes Mal, dass die ganze Last auf mir allein lag und mein Vater gar nichts dafür tat, um den Engpass mildern zu helfen. Für ihn war es selbstverständlich, dass die Stube warm war und Mittags im Kochherd das Feuer prasselte. Auch ich war deshalb gezwungen, regelmäßig mit dem Handwagen in den Wald zu fahren, um Brennholz heran zu schaffen.
Wir besaßen keinen eigenen Handwagen. Deshalb war ich jedes Mal gezwungen, mir einen auszuborgen. Ich ging also zu Alfred Reschke, einem älteren Herrn, der mit seiner Frau in unserem Hause wohnte, und einen großen Handwagen besaß.
„Herr Reschke, kann ich zum Wochenende wieder mal euren Handwagen bekommen? Unser Holz geht zu Ende und ich muss in den Wald, neues holen!“
„Selbstverständlich, mein Junge, kannst du den Wagen bekommen!“, gab er mir seine Zusicherung. Er tat es auch gerne, denn er selbst war nicht mehr in der Lage, in den Wald zu fahren, und er wusste, von mir bekam er dafür immer etwas trockenes Holz ab. Dann ging es entweder Sonnabendnachmittag, oder Sonntagvormittag in den Wald zum Holz sammeln.
Da auf dem Waldboden kaum noch Holz zu finden war, mussten wir, um unseren Brennholzvorrat aufzubessern, trockene Äste von den Bäumen brechen. Dazu hatten wir uns einen Eisenhaken angeschafft. Damit und mit einem kleinen Beil ausgerüstet, ging es ab in den Wald. Zuerst wurde ein langes, dünnes Kiefernstämmchen abgehackt, an dem der Haken befestigt wurde. Dann wurden damit trockene Äste herunter gebrochen.
Das war eine dolle Plackerei. Und je öfter wir in den Wald fuhren, um so unergiebiger wurde das Geschäft.
Deshalb waren wir recht froh, als wir an einem Sonnabend in der Nähe von Kaltenborn ein Waldstück entdeckten, in dem wir eine ansehnliche Zahl etwa 20 Zentimeter starke Kiefernstämme fanden, die wahrscheinlich noch in den letzten Kriegstagen etwa 1,50 Meter über dem Boden abgesägt worden waren, um vielleicht als Panzersperre zu dienen. Die abgesägten Oberteile waren längst von anderen abtransportiert worden.
Wir warteten nicht lange, damit uns niemand zuvor käme. Gleich am nächste Tag, Sonntag in aller Frühe, ging es, diesmal statt mit einem Haken mit einer Säge bewaffnet, an unseren Fundort. Dort sägten wir die Stämme kurz über dem Boden ab und transportierten sie nach Hause. Drei mal waren wir an diesem Sonntag im Wald. Es hatte sich diesmal für uns gelohnt Gut 1 ½ Festmeter gutes Brennholz war unsere Ausbeute.
Es war nicht selten, dass ich mit dem Handwagen, vollbepackt mit Brennholz, die Kaltenborner Strasse entlang fuhr, und mir schon viele Jugendliche, zum Tanzen chic gemacht, entgegen kamen. Dann hieß es, sich sputen, schnell abladen, waschen und umziehen, und dann schnell zum Feldschlösschen, damit ich nicht so viel vom Tanz versäumte.
Oft habe ich während dieser Zeit am Montag blau gemacht, bin nicht zur Arbeit gegangen, sondern habe das Holz gehackt, um wieder genügend Brennholz im Schuppen zu haben.
Unser Betrieb kümmerte sich auch um die Bedürfnisse der Arbeitskollegen. Er hatte einige Hektar Kiefernschonung gekauft, die durch Kriegseinwirkungen gebrannt hatten. Eine kleine Truppe von Kollegen, zu denen auch ich gehörte, waren vom Betrieb abgestellt worden, um das verkohlte Holz zu schlagen. Gut fünf Wochen haben wir bei grimmiger Kälte, es war Mitte Februar, im Wald verbracht. Ich war zufrieden, das ich aus meiner Soldatenzeit noch meinen Anorak mit Schafsfellfütterung besaß. Er hat mir in dieser Zeit wirklich gute Dienste geleistet. Aber es war eine Sauarbeit. Abends zum Feierabend sahen wir alle wie die Schornsteinfeger aus, über und über mit Ruß beschmiert. Wir mussten erst ausgiebig unter die Dusche, bevor wir uns umziehen konnten.
Jeder, der wollte, bekam ein bis zwei Festmeter ,Brandholz‘ zu einem recht geringen Preis bis nach Hause geliefert. Das waren damals die Vorteile, Schwerarbeiter zu sein und in einem Volkseigenen Betrieb zu arbeiten.
Ständig einen Handwagen borgen zu müssen war auf die Dauer keine Lösung. Deshalb beschloss ich, mich als Stellmacher zu versuchen, und mir einen Handwagen selbst zu bauen. Ein solch umfangreiches Objekt war natürlich nicht heimlich herzustellen. Deshalb besprach ich die Angelegenheit mit unserem BGL-Vorsitzenden. Er unterstützte mein Anliegen und ich erhielt vom Betriebsdirektor die Erlaubnis, mir einen Handwagen nach Feierabend im Betrieb anzufertigen. Auch die benötigten Teile konnten mir Arbeitskollegen für ein Trinkgeld nach Feierabend herstellen. Ich brauchte nur die Materialkosten im Betrieb bezahlen. So goss mir ein Former die vier Radnaben, ein Dreher bearbeitete sie maßgerecht und fertigte mir auch die Achsen dafür an, und unser Schmied zog mir die Eisenreifen auf die Räder und fertigte die erforderlichen Kleinteile, wie die Wrangenstützen, die Halterung für die Deichsel usw.
So kam ich recht billig zu einem soliden Handwagen. Leider konnte ich ihn nicht lange nutzen, denn wir zogen nach Frankfurt(Oder). Dort stand er lange ungenutzt im Keller. Schließlich schenkte ihn meine Mutter Onkel Richard in Berlin.
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