„BUBI“ PLAGEMANN GIBT AUF

‚Bubi‘ Plagemann hatte im April 1942 seine Lehre zum Binnenschiffer begonnen. Richtig glücklich war er darüber nicht, aber es hatte sich keine andere Lehrstelle für ihn gefunden. Deshalb hatte er in den sauren Apfel beißen müssen und als Schiffsjunge auf einem Oderdampfer angeheuert.

,Bubi‘ Plagemann

Damit begann für ihn eine schwere Zeit. In der Regel war er immer mehrere Wochen unterwegs, bevor er für ein paar Tage Ruhe nach Hause kam. Daheim machte er stets einen betrübten Eindruck und nur mit Widerwillen begab er sich jedes Mal auf seinen Lehr-Dampfer zurück.
Weinerlich erzählte er mir einmal von seinem Martyrium. „Weißt du, Werner“, berichtete er mir, „die Arbeit auf dem Motorkahn ist schon schwer genug. So wie es die Fahrt erfordert, muss ich, wie alle anderen, Tag und Nacht auf den Beinen sein und jede, auch die schwerste Arbeit verrichten. Aber dann werde ich von den Schiffern noch zusätzlich traktiert und schikaniert. Ich bin ihr Lauf-bursche, und Dinge, die ihnen keinen Spaß machen, bekomme ich aufgehalst. Sie Saufen auch heimlich und ich muss dann auch noch zusätzlich ihre Wache übernehmen. Als ich mich deswegen beim Schiffsführer beschwerte, bekam ich zur Antwort: ‚Lehrjahre sind nun mal keine Herrenjahre, da hilft nichts, da musst du durch.‘ Danach wurden die Schikane nur noch schlimmer. Manchmal fühle ich mich wie ein Galeerensträfling.“
„Mann, das muss ja die Hölle sein“, reagierte ich mitfühlend auf seine Schilderung, „das musst du unbedingt deinen Eltern erzählen. Da muss doch was dagegen unternommen werden!“
„Das habe ich ihnen doch alles schon erzählt. Sie glauben aber, ich übertreibe, weil ich von Anfang an zum Schiffsjungen keine Lust hatte. Sie sind auch der Meinung, ich müsste da durch“, reagierte er resigniert.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ‚Bubis‘ Eltern endlich einschritten. Als mein Freund wieder einmal nach Hause kam, waren seine Hände ganz zerschunden. Auf die Frage seines Vaters, was denn passiert sei, erzählte ‚Bubi‘ folgende Ungeheuerlichkeit.
„Wir benutzen auf unserem Dampfer Stahltrossen. Durch die große Beanspruchung und durch Korrosion brechen einzelne Litzen und stehen als scharfe Spitzen aus dem Drahtseil heraus. Man nennt diese Spitzen Flöhe. Um uns davor zu schützen, hat jeder von uns dicke Lederhandschuhe. Die anderen Besatzungsmitglieder hatten meine Handschuhe versteckt, angeblich, um mich abzuhärten und aus mir einen richtigen Schiffer zu machen und ich musste mit bloßen Händen die Stahlseile anfassen. Dabei habe ich mir meine Handflächen so zerstochen.“
Wir waren alle entsetzt und erschüttert.
‚Bubis‘ Vater setzte nun endlich durch, dass der Lehrvertrag mit dem Schiffseigner ohne Sanktionen aufgehoben und ihm für einige Zeit die Ausbildung von Schiffsjungen untersagt wurde. Die Besatzung hatte ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.
‚Bubi‘ Plagemann war glücklich, wieder zu Hause zu sein. Es gelang ihm, auch noch eine Lehrstelle als Zimmermannslehrling zu bekommen. Bald hatte er die schlimme Zeit auf dem Oderdampfer vergessen. Er ist ein vortrefflicher Zimmermann geworden und wir sind gute Freunde geblieben.
vorherige SeiteSeite 81 von 164nächste Seite