DER DRITTE MANN

Wenn Onkel Erich, der ältere Bruder meines Vaters, in Guben zu tun hatte, kam er uns stets besuchen. Meist brachte er, als kleine Aufmerksamkeit, eine große Büchse sauer eingelegter Bratheringe mit.

Onkel Erich
Gewöhnlich bekam ich als erstes den Auftrag, zur Spirituosen-Handlung ‚Paul Zimmer‘ zu laufen, die sich damals in einem kleinen Laden Kurmärkische- Ecke Grünstrasse befand, und in einem achteckigen Fläsch-chen, welches ich mitbekam, ein Viertelchen Cottbuser Korn zu holen, welches der Destillenbesitzer aus einem dickbäuchigen Ballon pur abfüllte. Bei dem Schwätz-chen, das dann folgte, und bei dem die Flasche ausgiebig von einem zum anderen gereicht wurde, ging es immer recht laut zu, denn auch Onkel Erich hörte schwer. Ich musste noch mehrmals zur Ecke laufen, um aus dem Schnapsladen Nachschub zu holen.
So richtig in Stimmung gekommen, wurde dann, vorausgesetzt man hatte den dritten Mann, noch eine Runde Skat gedroschen. Das ging oft bis in die Nacht hinein. Natürlich war nicht immer der dritte Mann gleich zur Verfügung. Dann musste notgedrungen auch mal meine Mama einspringen, wobei sie sich recht wacker schlug und die beiden Mannsbilder manchmal arg in Bedrängnis brachte.

Eines Tages, die Skatrunde war ausgefallen, weil kein dritter Mitspieler gefunden worden war, zeigte Onkel Erich auf mich und forderte: „Otto, Werner ist jetzt alt genug; es wird Zeit, dass du ihm das Skat-Spielen beibringst“.
Mein Vater hatte schon oft mit mir die gängigen Kartenspiele, wie ‚17 und 4‘, ‚Sechsundsechzig‘ und ‚Schafskopf‘ gespielt. Er hatte auch hin und wieder versucht, mir die Grundregeln des Skats beizubringen, doch ich hatte Schwierigkeiten, die Skatbegriffe zu verstehen, die Kartenwerte immer genau einzuschätzen und richtig zu reizen. Mein Vater raufte sich verzweifelt die Haare, doch aus mir wollte einfach kein richtiger Skatspieler werden. Je mehr mein Vater mich bedrängte, umso weniger Lust verspürte ich, in die Geheimnisse dieses Königsspiels einzudringen, um sie zu beherrschen.
Schließlich passierte folgendes: Ich spielte wieder einmal mit meinem Vater ‚Schafskopf‘. Mein Vater, ein ausgebuffter Kartenspieler, gewann und gewann. Ich wurde immer wütender, denn wer will schon immer verlieren. Schließlich warf ich, dem Weinen nahe, trotzig die Karten auf den Tisch und verkündete eigensinnig: „Mit dir spiele ich nicht mehr, du bist zu gemein“.
Als mich mein Vater dann noch zu hänseln begann, sah ich rot, raffte die Karten zusammen und warf sie in den Ofen, wo sie verbrannten.
Seitdem hatte ich Ruhe! So kam es, dass ich nie das Skatspiel erlernte. Wenn ich das heute freimütig eingestehe, werde ich oft mitleidig belächelt. Doch mir ist das egal, denn ich weiß, wie viele sich mit des Teufels Gebetbuch, vielleicht nicht so sehr beim Skat, aber bestimmt beim Poker, um Hab und Gut gebracht haben.
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