RADIOKAUF

Es war nicht zu überhören, immer mehr Familien besaßen ein Radio. Das war auch nicht verwunderlich, konnte man doch 1937 in Nazideutschland einen Volksempfänger - die sogenannte Göbbelsschnauze - für nur 59,00 RM kaufen und gegebenenfalls in 18 Monatsraten zu 3,25 RM abstottern. 1939 konnte man den Deutschen Kleinempfänger DKE 38 sogar schon für 35,00 RM bekommen oder in 15 Monatsraten zu 2,35 RM abzahlen.

So war es nicht verwunderlich, dass sich auch meine Eltern mit dem Gedanken trugen, ein Radio anzuschaffen.
Obwohl unser geringer Familienetat eigentlich zur Bescheidenheit mahnte, ließ die kleinbürgerliche Borniertheit meines Vaters es nicht zu, dass wir uns
n u r einen Volksempfänger zulegten. Nein! Auch wenn es unsere finanziellen Möglichkeiten schmerzhaft überschritt, nach Auffassung meines Vaters musste es mindestens ein Superhet sei.
Nicht lange, und das Rundfunkhaus Dammaschke lieferte uns das erste Radio - einen Telefunkenapparat - eine Woche zur Probe. Man sieht, der Service war auch damals schon recht gut entwickelt.
Die Tonqualität des Telefunken war ausgezeichnet, die technische Ausrüstung unter Berücksichtigung der damaligen Möglichkeiten erstaunlich, aber der Preis auch entsprechend hoch.
Der nächste Apparat, den wir ausprobieren konnten, war ein Blaupunktradio. Seine Leistung war so ungewöhnlich groß, dass man damit einen kleinen Tanzsaal hätte beschallen können. Dementsprechend war auch der Energieverbrauch dieses Gerätes. Wenn wir es einschalteten, wurden in unserer Wohnung alle elektrischen Lampen dunkler und der Elektrozähler raste beängstigend. Die Röhren entwickelten dabei eine solche Wärme, dass man das Radio ohne weiteres gleichzeitig hätte als Heizkörper nutzen können.
Also auch nichts für uns! Wir haben den Radioapparat deshalb schon am nächsten Tag wieder zurückgegeben.
Schließlich entschieden sich meine Eltern für ein Radio von der Firma Körting. Es war ein Apparat in einem schmucklosen, aber gediegenen Holzgehäuse. Er war für Allstrom nutzbar und man konnte mit ihm Lang- und Mittelwellensender empfangen. Es war ein Radio, das einen guten Klang besaß und leicht zu bedienen war. Den Preis von 150,00 RM konnten meine Eltern gerade noch so akzeptieren. Nach dem Motto: „Immer nobel, wenn es auch weh tut!“, besaßen wir nun also auch ein Radio, und sogar ein besseres als viele andere unseres Standes.

Meine Eltern mit dem neuen Radio

Wenn man berücksichtigt, dass es ohne eine Reparatur fast dreißig Jahre spielte, besaß es doch eine recht außergewöhnliche Qualität und hat sich am Ende sogar bezahlt gemacht.
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