QUÄKERN

Mit dieser Überschrift wird kaum noch jemand etwas anzufangen wissen. In meiner Schulzeit verbarg sich hinter diesem Begriff etwas ähnliches, wie es heute die Schulspeisung ist.

Ich gehörte zu den Kindern, die damals Quäkern gingen, das heißt, die zwei- bis dreimal in der Woche in der Schule eine zusätzliche warme Malzeit erhielten.
Warum mir diese Sonderbehandlung zuteil wurde, ist schnell erzählt.
In meiner Kindheit wurde immer vermutet, ich leide an Blutarmut, weil ich eine blasse Gesichtsfarbe hatte, die durch meine Sommersprossen noch verstärkt wurde. Das war meiner Klassenlehrerin, Frau Striese, auch aufgefallen. Deshalb nahm sie mich eines Tages beiseite und erkundigte sich: „Krause, du siehst so blass aus. Fühlst du dich nicht? Bist du krank?“
„Nein“, sagte ich wahrheitsgemäß, „mir geht es gut, ich bin nicht krank.“
Ich konnte aber ihre Besorgnis um meinen Gesundheitszustand nicht entkräften, und da sie wusste, dass meine Eltern als Fabrikarbeiter nicht so viel verdienten, hielt sie es für gerechtfertigt, mich zum Quäkern anzumelden.
Also ging ich, wenn auch mit Widerwillen, weil ich es als Makel empfand (wer will schon krank und arm sein?), auch zu dem kleinen Gebäude, welches gleich rechts hinter dem Eingangstor zum Schulhof stand, und verspeiste dort mit den anderen meine warme Malzeit.
Wer nun glaubt, wir gehörten zu einer Schar auserlesener, den muss ich enttäuschen. Nur das, was die Mädchen der oberen Klassen im Schulfach ‚Hauswirtschaftliche Tätigkeit‘ dort in der Schulküche gekocht und gebacken hatten, bekamen wir jeweils vorgesetzt. Deshalb waren die meisten froh, dass das Quäkern von den Nazis im Krieg abgeschafft wurde, weil eine amerikanische Sekte diese Art der Speisung ins Leben gerufen hatte.
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