UMZUG NACH FRANKFURT(ODER)

Obwohl meine Eltern geschieden waren, mussten sie wegen der damals bestehenden Wohnungsnot noch zusammen in ihrer bisherigen Wohnung wohnen. Meine Mutter schlief natürlich nicht mehr neben ihrem „Ehemaligen“ im Ehebett, sondern, wenn sie zu Hause übernachtete, auf der Couch. Doch meistens schlief sie schon bei ihrem Freund Albert in der Zolldienststelle auf dem Bahnhof. Ihr Bett hatte ich mit Beschlag belegt.
Deshalb war meine Mutter glücklich, als Albert in die Zollverwaltung nach Frankfurt(Oder) versetzt wurde und dort, was zur damaligen Zeit gar nicht so selbstverständlich war, auch gleich eine Wohnung zugewiesen bekam. Und das, obwohl beide noch nicht verheiratet waren.
Endlich, nach fasst drei Jahren, konnte sie diesen beinahe unerträglichen Zustand des gezwungenen Zusammenlebens mit ihrem geschiedenen Mann beenden. Da ich nach der Scheidung meiner Eltern bei meiner Mutter geblieben war, gab es für mich keine Alternative, ich zog mit nach Frankfurt.
Doch ein Problem gab es für mich. Ich hatte bereits meine Einladung für den Drei-Monate-Lehrgang zur FDGB Landesschule in Bärenklau in der Tasche, der am 6. Januar 1951 begann. Deshalb wollte ich noch bis Jahresende in meinem Betrieb, GUS Gubener Eisenwerke, arbeiten, damit ich während des Schulbesuchs von meinem Betrieb weiter meinen Lohn bekam. Ich musste mir also für diese Zeit in Guben eine Bleibe suchen, denn bei meinem Vater zu wohnen kam für mich damals nicht in Frage. Für 4 Wochen kam ich im Internat der Städtischen Berufschule unter. 2 Monate lebte ich dann noch bei einer Freundin meiner Mutter zur Untermiete.
Meine Eltern hatten sich vorher geeinigt, wie die Möbel aufgeteilt werden. Meine Mutter bekam das Schlafzimmer, den Wohnzimmertisch mit den 4 Polsterstühlen, die Couch, und für mich den Korbtisch und einen Korbstuhl, und aus der Küche einen Küchenschrank, den Abwaschtisch und die beiden Küchenstühle.
Am 12. September 1950 stand der Umzugswagen vor der Tür. Es war ein Lastwagen mit Plane und einem offenen Anhänger, mit dem wir den Umzug bewerkstelligten. Zum Glück war das Wetter gut. Die Sonne schien und es war angenehm warm. Die paar Sachen waren schnell verladen. Meine Mutter und Albert fuhren in der Fahrerkabine des Lastwagens mit. Ich hatte es mir auf dem Anhänger auf unserer Couch gemütlich gemacht und Flocki auf dem Schoß.
Es ging nach Frankfurt in die Tunnelstraße 20.
Das Haus, in das wir zogen, war ein Bürgerhaus aus der Gründerzeit. Unsere Wohnung lag in der obersten, der 5. Etage. Aus dem Treppenhaus kam man in einen kurzen Flur. Rechts ging eine Tür ab, die ins Wohnzimmer führte. Der Raum hatte zwei Fenster, die zur Straße, Richtung Westen, gingen. Am Nachmittag schien die Sonne ins Zimmer. Das konnte sie, weil das gegenüberliegende Haus nur vier Stockwerke hatte und deshalb niedriger war.
Nach links ging die erste Tür in ein kleines, schmales Zimmer. Das Fenster, welches die ganze Breite der hinteren Wand einnahm, ging zum Hof hinaus. In der rechten hinteren Ecke stand ein kleines, transportables Kachelöfchen. Dieses kleine Zimmer war für mich. Das erste Mal in meinem Leben bekam ich ein eigenes Zimmer. Es ging zwar nur ein schmales Bett, ein kleiner Schrank und die alten Korbmöbel meiner Eltern hinein, aber für mich war es das „Himmelreich“. Dadurch fiel mir auch der Abschied von Guben nicht ganz so schwer. Ich arbeitete ja auch weiter in Guben, was die Sache noch erträglicher machte.
Die zweite Tür führte ins Schlafzimmer. Es war etwas verwinkelt. Es hatte ebenfalls nur ein Fenster, das auch zum Hof hinaus ging. Gleich rechts befand sich ein kleiner Abstellraum. Die Küche befand sich hinter dem Schlafzimmer, ebenfalls mit einem Fenster zum Hof. Aus der Küche führte noch eine Tür zu einer Treppe. Früher war das der „Dienstbotenaufgang“. Jetzt war die Treppe nach unten geschlossen und diente als Abstellraum.
Ein Bad gab es nicht, und die Toilette war im Treppenflur, eine halbe Treppe tiefer.
Das Außergewöhnliche in der neuen Wohnung war, das sich im Flur ein Telefon befand! Ein Luxus, den wir bisher nicht gekannt hatten.
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