DER PFIRSICH
Für uns war es wie ein Ritual!
Nach dem Tanz im Feldschlösschen oder in der Sprucke stromerten Manfred und ich noch durch die Gärten, um uns an den Früchten der Saison gütlich zu tun.
Es waren fremde Früchte, die wir da vernaschten. Aber zu dieser Zeit musste man sehen, wo man blieb. Wir sahen also in unserem Tun keinen Fehltritt gegen das Recht, sondern betrachteten es als Mundraub, der ja bekanntlich als nicht strafbar gilt.
Eines Abends schlichen wir wieder einmal durch die Gärten. In einer Seitenstrasse, nicht weit vom Feldschlösschen entfernt, entdeckten wir ganz nahe am Zaun einen Pfirsichbaum, in dem, vom Blätterwerk fast verdeckt, ein einziger Pfirsich hing.
Wir waren uns einig: Der gehört uns!
Es war einer von der großen Sorte und schon recht ansehnlich entwickelt. Manfred langte durch die Zaunlatten, um den Pfirsich zu pflücken. Doch er reichte nicht heran, sein Arm war zu kurz. Da ich längere Arme hatte, versuchte ich mein Glück. Ich hatte zwar auch etwas Mühe, aber ich konnte ihn gerade so erreichen. Als ich ihn betastete, stellte ich fest, dass er noch hart und unreif war. Es wäre unvernünftig gewesen, ihn so zu pflücken.
„Er ist noch nicht reif. Leider!!“, erklärte ich Manfred, als ich meine Hand leer wieder zurück zog, „wir werden wohl noch ein paar Tage warten müssen. Hoffentlich kommt uns der Besitzer nicht zuvor und wir haben das Nachsehen“, sagte ich besorgt.
Täglich gingen wir deshalb am Zaun entlang an unserem Pfirsichbäumchen vorbei, um den Reifeprozess der appetitlichen Frucht zu verfolgen und im richtigen Moment zugreifen zu können.
Es dauerte noch gut eine Woche; aber dann war es soweit. Unter der samtenen Haut leuchtete das gelblich-rötliche Fruchtfleisch des Pfirsichs in seiner saftigen Reife durch die Blätter und verlangte förmlich danach, von uns gepflückt zu werden.
Abends, als es dunkel geworden war, gingen wir heimlich ans Werk und holten uns das prachtvolle Exemplar. Beim Verspeisen ? wir hatten die aromatisch duftende Frucht redlich geteilt ? lief uns der süß-klebrige Saft nur so über Finger und Kinn. Was für ein Genuss!
Es war höchste Zeit gewesen, dass wir uns bedienten, denn am nächsten Tag hätte bestimmt der Gartenbesitzer seinen Pfirsich selbst gepflückt. Wir waren ihm zuvor gekommen. Sicher hat er mächtig geflucht, als er den Verlust entdeckte.
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