KOHLETRANSPORT
In Guben gab es eine Besonderheit. Die Betriebe in der Stadt besaßen in der Regel keinen Bahnanschluss. Deshalb war es notwendig, die benötigte Kohle mit Schwerlasttransportern auf der Straße vom Güterbahnhof zum jeweiligen Betrieb zu transportieren. Um das so effektiv wie möglich zu gestalten, wurde in Guben ein spezielles Transportfahrzeug, der „Culemeyer“ eingesetzt, mit dem jeweils ein ganzer Eisenbahnwaggon durch die Stadt kutschiert wurde.
- Mit dem „Culemeyer“ durch Guben (Foto aus Gubener Heimatkalender 1997, Seite 95. Das Foto stammt aus dem Besitz von Fritz Zorn, der die Zugmaschine 25 Jahre fuhr.)
Als Kinder imponierte uns dieses Gefährt sehr, welches wie ein vorsintflutliches Vehikel mit seinen Vollgummireifen langsam über das Pflaster rumpelte, und dem alle anderen Verkehrsteilnehmer mit gebührendem Respekt begegneten. Oft sind wir ein ganzes Stück nebenher gelaufen und haben ehrfurchtsvoll den Fahrer dieses Ungetüms bewundert.
In den letzten Kriegsjahren, als sich der Mangel an Heizmaterial schon sehr bemerkbar machte, sind wir, wenn sich die Möglichkeit bot, von hinten auf den Waggon geklettert und haben heimlich Kohlen hinunter geworfen.
In den ersten Nachkriegsjahren fehlte dieses Fahrzeug auf den Straßen von Guben. Die Gründe dafür sind mir leider nicht bekannt.
Es kam deshalb im Winterhalbjahr nicht selten vor, dass sich die Reichsbahndirektion an die Gubener Betriebe mit der Bitte wandte, an den Wochenenden freiwillige Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die auf dem Güterbahnhof helfen sollten, Waggons zu entladen, in denen die Kohle wegen der Kälte angefroren war.
Obwohl das ein Knochen-Job war, gab es immer genügend Freiwillige, denn neben der zusätzlichen guten Entlohnung konnte sich jeder, mit stiller Duldung der Verantwortlichen, einen Rucksack voll Kohlen mit nach Hause nehmen.
Erst Ende der 60iger Jahre, als Kohlenklau nicht mehr so lebensnotwendig war, gehörte dieses wirtschaftlich Transportmittel wieder zum gewohnten Stadtbild.
Mit dem Niedergang der Betriebe in Guben nach der Wende verschwand auch der „Culemeyer“; er hatte sich überlebt!
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