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Der Wechsel ins Kriegsgefangenen-Lazarett des Posener Hauptlagers war für mich in zweierlei Hinsicht ein Glücksfall. Zum einen wurde meine eiternde Wunde an der Wade wieder ordentlich versorgt und zum anderen war die Verpflegung besser. Darüber hinaus konnte ich, da ich ja keine so schwere Krankheit hatte, bei der Essenausgabe helfen, und hatte dadurch das Privileg, dass ich zum Schluss die Essenkübel auskratzen durfte. Dadurch kam ich langsam wieder etwas zu Kräften. Es dauerte auch nicht lange und die Schwellung an meinem Knöchel ging zurück. Aber wegen der eiternden Wunde hielt es die sowjetische Ärztin für erforderlich, mich noch weiter im Hospital zu behalten. Jeder wird verstehen, dass ich darüber wahrlich nicht traurig war.
Etwas gab es aber, was für uns im Hospital nicht sehr angenehm war: Neben den Läusen hatten wir mit einer weitere Plage zu kämpfen, mit Wanzen!!
Tagsüber ging es. Aber wenn die Dunkelheit einzog, begannen die alten Baracken, in denen wir Kranken auf Pritschen in vier Etagen auf Stroh lagerten, lebendig zu werden.

Unzählige dieser unangenehmen Plagegeister krabbelten aus den Spalten des alten Holzdaches und ließen sich auf die darunter liegenden Matratzen der vierten Etage fallen. Nachdem sie gemeinsam mit den sich dort schon eingenisteten Wanzen die da liegenden armen Kranken gehörig gepiesackt hatten, tropften sie traubenweise auf die darunter liegende Schlafetage, um dort in noch breiterer Front ihre Invasion gegen die Lazarettbewohner zu führen. So ging es weiter, von Etage zu Etage, bis es in der untersten nur so von Wanzen wimmelte.
Dort lagen logischerweise überwiegend die Schwerkranken und Schwer-verletzten, für die jede Nacht zu einer wahren Qual wurde. Da sie sich kaum rühren konnten, waren sie der Invasion der Wanzen-Bataillone so gut wie wehrlos ausgesetzt.
Schwerkrank und dann, neben der Läuseplage, auch noch der ganze Körper mit den roten, juckenden Pusteln der Wanzenbisse übersät; was konnte es schlimmeres geben!?
Einige fluchten, andere wimmerten verzweifelt oder lagen nur noch apathisch auf den zu Marterstätten gewordenen Strohlagern. Immer wieder hörte man die flehende Bitte der so geplagten: „Kameraden, seid doch so gut und schafft uns in die obere Etage!“
Obwohl es nicht unproblematisch war, und die russische Ärztin über unsere Aktionen meist verärgert war, taten wir ihnen, wenn es ging, den Gefallen und wuchteten sie auf die vierte Etage hinauf; denn dort waren die Wanzen-Angriffe doch einigermaßen erträglich.
Wir Leichtkranke konnten ja, wenn es nicht mehr auszuhalten war, aus den unteren Bettetagen problemlos ins Freie flüchten, um dort, wenn es das Wetter zuließ, auf den Holzbänken zu schlafen und uns wenigstens etwas vor den Bissen der blutrünstigen Plagegeister zu schützen.
Ich hatte das große Glück, ich weiß nicht wieso, dass mich die Wanzen verschonten. Es war dennoch ekelig genug, wenn dieses Ungeziefer einem über Gesicht und Körper krabbelte. Wenn man beim Wegwischen zufällig eine zerdrückte, roch es widerlich nach bitteren Mandeln. Noch heute hängt mir dieser Geruch in der Nase, wenn ich nur an die damalige Situation denke.
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