WARUM WIR NACH WALLWITZ ZOGEN?

Da mein Großvater in seinem Beruf als Zimmermann arbeitete und nicht viel auf der Wirtschaft tun konnte, musste entschieden werden, wer sein Nachfolger wird, sie übernimmt und bewirtschaftet.

Nach der Erbfolge hätte das Haus und die Wirtschaft nach dem Abtreten des Vaters der älteste Sohn, Onkel Erich, übernehmen müssen. Doch mein Großvater hatte da seine Bedenken. Onkel Erich hatte keine Frau. Es wurde auch gemunkelt, er hätte nichts für Frauen übrig. Aber auf eine Landwirtschaft gehört eine Bäuerin, einmal, um die viele Arbeit zu bewältigen, zum anderen, um für Nachwuchs zu sorgen und so das Erbe später weitergeben zu können.
Tante Grete war verheiratet und hatte zwei Söhne. Sie kam nach Auffassung meines Großvaters aber auch nicht in Frage, weil ihr Ehemann Kurt als Säufer verschrien war. Und Tante Frieda war noch zu jung.
Meine Mama hatte unter schweren Bedingungen bewiesen, dass sie eine gute Bäuerin abgeben würde. Deshalb trug sich mein Großvater mit dem Gedanken, seinem Sohn Otto, meinem Vater, die Wirtschaft zu vererben. In einer Familienberatung trug er seine Überlegungen vor. Sie wurden von allen akzeptiert. Um so betroffener war er, dass mein Vater das Angebot nach gründlicher Überlegung ablehnte. Meine Eltern hatten beide keine Lust, Bauern zu werden, und sie glaubten auch nicht, dass ich, ihr Sohn, die Anlagen zu einem künftigen Bauern hätte.
So entstand eine fatale Lage und die Stimmung war gespannt.
Auf drängen meiner Mutter sah sich mein Vater nach einer Wohnung um, denn sie wollten unter diesen Umständen nicht länger in Atterwasch bleiben. Er hatte Glück und fand eine kleine Wohnung, Stube und Küche, in Wallwitz bei Guben. So kam es, dass wir 1931 nach Wallwitz zogen.
Heute liegt Wallwitz in der Republik Polen und heißt Walowice.
Damals war dieser Ort ein kleines Dorf in der Niederlausitz, lag etwa 7 Kilometer nordöstlich von Guben und hatte rund 500 Einwohner. Die 686 Hektar Bodenfläche war überwiegend sandig und wenig fruchtbar. Nur im Norden befanden sich einige sumpfige Wiesen. Mehr als die Hälfte der Einwohner lebten recht und schlecht von der Landwirtschaft. Andere arbeiteten entweder in der Ziegelei, der Kalkbrennerei oder dem Sägewerk, die es im Dorf gab, oder waren in der Gubener Stadtforst als Waldarbeiter tätig. Der Rest fuhr zur Arbeit nach Guben.
In Wallwitz existierten ein Rittergut und ein Schloss. Es gab einen Kolonialwarenladen, ein Dorfwirtshaus mit Tanzsaal, einen Bäcker und einen Fleischer. Am Ortsausgang in Richtung Guben lag der Bahnhof. Die Kinder wurden in einer zweiklassigen Dorfschule unterrichtet. Eine Kirche gab es im Ort nicht. Die überwiegend evangelische Bevölkerung war in der Klosterkirche von Guben eingepfarrt.

Wallwitz, unser neuer Wohnort (Messblattauszug), der Pfeil zeigt auf mein neues Zuhause

Unsere Wirtsleute hießen V o i g t und besaßen ein zweigeschossiges Wohnhaus. Es lag in einer Seitenstrasse, die nach Heidekrug führte. Vor dem Haus war ein Gemüsegarten, der an die Straße grenzte. Dahinter lag ein großer Hof, der von einer Scheune abgeschlossen wurde. Hinter der Scheune befand sich das Klo, ein dörfliches Abort, wo die Fäkalien in einer darunter befindlichen Grube gesammelt wurden.
Wasser konnte man aus einer Pumpe holen, die auf dem Hof stand.
Dem Haus gegenüber stand die neu erbaute Dorfschule. Nach Süden und Südosten grenzte, nur wenige 100 Meter entfernt, der Wald des Gubener Stadtforstes an den Ort. Nach Osten hin stieg eine Erhebung an, die Schusters Berg genannt wurde, und auf der sich das Schloss befand.
Das Haus der Familie Voigt, unser neues Zuhause

Im Nachbarhaus wohnte die Familie Müller, Großeltern, Eltern und Tochter Liesel. Hier hielt ich mich bald lieber auf, wie zu Hause, denn Müllers Liesel hatte mich in ihr Herz geschlossen.
Ein neuer Abschnitt meiner Entwicklung hatte begonnen!!!
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