MASKENBALL

Im Februar begannen die Maskenbälle. In allen Sälen war dann großer Trubel. Es waren überwiegend die Mädchen, die kostümiert kamen. Wir Jungen gingen lieber ohne Kostüm. Wenn zu Beginn die Masken im Saal herumgingen, um sich bewundern zu lassen, saßen oder standen wir um die Tanzfläche herum und versuchten zu erraten, wer hinter den verschiedenen Masken steckt, oder wir bemühten uns, die eigene Freundin herauszufinden. Manchmal steckte aber auch ein Junge in einem Frauenkostüm und narrte uns. Wenn die Masken gebührend begutachtet worden waren, begann der Tanz. Jeder von uns war darauf aus, sich mit einer Maske zu vergnügen, hinter der man ein hübsches junges Mädchen vermutete. Das war nicht einfach, denn nur die Masken waren berechtigt, zum Tanzen aufzufordern. Spannend warteten wir dann auf die Demaskierung. Meistens geschah das gegen Mitternacht nach einem Tanz. Die Paare, die gerade zusammen tanzten, mussten nacheinander auf einen Tisch steigen und der unkostümierte Partner durfte die Maske lüften. Wenn zwei Masken zusammen tanzten, was ja auch vorkam, so demaskierten sie sich gegenseitig. Wenn Preismaskenball war, wurden in der Regel die schönsten und die ausgefallensten Kostüme prämiert, und das unter Umständen auch noch getrennt nach Frauen und Männern.

Die Maskenballzeit war wieder einmal gekommen und Manfred und ich hatten uns vorgenommen, diesmal auch kostümiert zu gehen. Dazu hatten wir uns eine ungewöhnliche Idee ausgedacht: wir wollten als Musik-Clowns verkleidet am Maskenball im Feldschlösschen teilnehmen. Die Hauptutensilien dafür waren eine alte, kaputte Geige, die ich mal von meinem Großvater bekommen hatte und ein großer Geigenkasten auf Rollen, den wir uns in unserem Betrieb gebaut hatten und in den sich Manfred hineinlegen konnte.
Den Geigenkasten hatten wir vorsorglich schon einen Tag vorher ins Feldschlösschen gebracht und im Vereinszimmer deponiert. Eine Stunde vor Beginn haben wir uns dann dort geschminkt und verkleidet. Bevor wir in den Saal zogen, haben wir gewartet, bis viele Masken schon ihren Rundgang machten und die Tanzfläche von Besuchern dicht umsäumt war.
Dann kam unser Auftritt! Manfred hatte sich, die kleine Geige im Arm, in den Geigenkasten gelegt und den Deckel über sich gezogen. An einem Strick, der vorn befestigt war, zog ich das Ungetüm, unterstützt von einigen Freunden, in den Saal und ließ es gleich vorn an der Tanzfläche stehen. Dann ging ich unter dem Gejohle der Anwesenden, die anderen Masken blieben erwartungsvoll stehen, durch den ganzen Saal bis zur Bühne und bat mit entsprechenden Gesten die Musiker, bei ihnen als Geiger mitspielen zu dürfen. Nachdem sie aus Spaß zugestimmt hatten, pfiff ich laut mit zwei Fingern. Wie von Geisterhand geschoben, setzte sich der große Geigenkasten in Bewegung und rollte, von Manfred im Inneren angetrieben, über die Tanzfläche bis zu mir, wo er wieder stehen blieb. Ich pfiff erneut und zum Gaudi aller Anwesenden hob sich der Deckel, Manfred entstieg dem Behältnis und überreichte mir die Geige. Die Anwesenden spendeten reichlich Beifall für unseren lustigen Auftritt. Arm in Arm, komische Grimassen schneidend, verbeugten wir uns linkisch vor unserem Publikum und warfen der Kapelle, die unser agieren mit einem Tusch gewürdigt hatte, dankbar Kusshändchen zu. Dann reihten wir uns, den großen Geigenkasten hinter uns herziehend, in den Kreis der Masken ein und machten unsere Späße mit den Umstehenden. Es dauerte nicht lange, und der Geigenkasten war zum Allgemeingut geworden. Vollbeladen sauste man mit ihm im Saal umher, den Deckel wie ein Segel aufgestellt und die kleine Geige zu einem Paddel umfunktioniert. Uns war unsere Überraschung gelungen und alle hatten ihren Spaß gehabt. Das Fazit des Abends: Die kleine Geige in tausend Stücke zerbrochen, der große Geigenkasten ein einziger Trümmerhaufen, wir beide vom Herumtollen völlig außer Atem aber glücklich und, der Jury aus dem Publikum sei dank, Gewinner des ersten Preises für das komischste Kostüm.
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